Wurmbrandsage
Der erste Wurmbrand von Stuppach
Eine Schar edler Ritter stand vor der Gräfin von Stuppach und der älteste von ihnen sprach: "Gnädige Herrin! Als unser guter Herr vor sieben Jahren ins Heilige Land zog, bestimmte er dich zum
Schützer und Ordner im Gau. Er versprach bald wiederzukommen. Bis heute kam er nicht zurück und niemand von uns hofft mehr auf seine Wiederkehr. Und das benützen viele im Gau und leben mit anderen in
Streit, rauben und plündern. Kein Mensch ist mehr seines Lebens und seiner Habe sicher. Wir bitten dich deshalb, heirate einen mutigen Mann und gib so dem Lande einen neuen Herrn und Gebieter, wir
alle bitten darum." Und die ganze Schar wiederholte: "Wir bitten darum."
Die Gräfin verlangte vier Wochen Aufschub. und als die Ritter wiederkamen, sagte sie: "Ich habe Gott gebeten. er möge meinen Gemahl rückkehren heißen, wenn er noch lebt. Zu meinem größten Herzeleid
ist er nicht gekommen. Gebt mir noch vier Wochen Frist!" - "Herrin, du vergißt, daß ein Lindwurm ins Land gekommen ist. Wir können nicht mehr warten" sagte der älteste Ritter. "Ja, Herrin! Der
Lindwurm!" wiederholte die Schar. "Ja, der Lindwurm!" sagte die Gräfin und bedachte sich. "Gut, ich gebe euch einen Herrn. Ich heirate den, der den Lindwurm tötet."
Schweigend gingen die Ritter heim. Manch edler Held wagte den Kampf mit dem Untier; aber keiner von ihnen kam wieder. - Auf einem Acker bei Berglach brannte hellodernd ein Feuer. Ein armer höriger Bauer stand daran und steckte nacheinander Pfähle hinein, um sie am dicken Ende anzukohlen. "Der wird schon einige Jahre halten, mein' ich, der Zaun", murmelte er jetzt und hielt einen dicken Pfahl - an ihm sollte das Tor hängen - ins Feuer. Da schnauft und faucht und lärmt und tost er daher und den Abhang herauf: der Lindwurm. Und festgebannt steht der Bauer. Schon schnappt ein fürchterlicher Rachen nach ihm. Da - ein ungeheuerlicher Schrei, ein dröhnender Schlag auf den Boden, daß ringsherum die Erde zittert: dem Untier steckt der glühende Pfahl im Rachen. Gröhlend tobt es noch eine Weile, dann wird es still.
Im Dorfe hat man es gehört. Erst war alles in Angst, dann zogen sie jubelnd aufs Feld. "Hoch lebe unser Retter, der Wurmbrand! Dank Ihm!" Und sie hoben ihn auf die Schulter, um ihn zur Gräfin zu tragen. Immer mehr Volk sammelte sich. Auch die Gräfin kam mit ihrem Gefolge entgegengeritten. Freudig umarmte sie den Bauer und küßte ihn. Eine ganze Woche dauerte die Hochzeit.